Es ist windig. Sehr windig sogar. Für normale Menschen mag dies ein Anlass, sein, unnötige Aufenthalte im Freien zu vermeiden und den Tag lieber vor dem Fernseher zu verbringen. Wir aber sind Drachenflieger, immer bereit, die Kraft des Windes für unsere Zwecke zu nutzen. Und wenn es ordentlich stürmt, schlägt die Stunde der Speedkites – genauer, in unserem Fall: der Lycos.
Die Vorbereitung
Angesagt sind 6 bis 7 Bft, was man schon als amtlichen Kachelwind verbuchen darf. Wir entscheiden uns für eine handliche Matte, die man auf Grund ihrer Größe auch unter diesen Bedingungen präzise steuern kann: die Lycos Competition 1.8 PS. Bei den Flugschnüren empfiehlt es sich, auf Nummer Sicher zu gehen. Die Skyline 100 DaN in 35 Meter Länge soll es sein – eine hochwertige Dyneema-Schnur, die auch in den Böen genügend Sicherheit bietet, um das Risiko eines Materialschadens zu vermeiden. Eine Skyline mit 75 DaN Bruchlast holt wegen des niedrigeren Gewichts und des geringeren Luftwiderstands durchaus eine höhere Endgeschwindigkeit raus – gleichzeitig ist das Material aber derart am Limit, dass jede stärkere Böe zu einem Leinenriss und, durch die enorme Impulsbelastung, auch zu Schäden an Waage oder Segel führen kann. Das braucht kein Mensch – also an dieser Stelle lieber etwas konservativ bleiben! Komplettiert wird das Set durch einen Groundstake und Power Grips, die ein präzises Steuern und langes ermüdungsfreies Fliegen ermöglichen.
Der Start
Das Handling einer Matte bei starkem Wind ist eine Herausforderung für sich. Tipp: Zunächst die Flugschnüre an die Power Grips anbuchten, dann die Power Grips über den Groundstake legen und die Schnüre ausrollen. Anschließend einen der beiden Power Grips wieder vom Groundstake nehmen – warum, wird gleich verraten.
Nun gilt es, die Lycos zu bändigen! Das Anleinen und Starten fällt deutlich leichter, wenn man kleine Gewichte zur Hand hat, mit denen die Matte zuverlässig gesichert werden kann. Sogenannte Kite Weights – mit Metallkugeln oder Sand gefüllte Beutel, die im Power Kiting gebräuchlich sind – leisten hier gute Dienste, hilfsweise sind aber auch andere Gewichte wie gefüllte Wasserflaschen völlig ausreichend. Diese werden auf die Schleppkante – die geschlossene, untere Seite der Matte – gelegt und verhindern, dass sich die Lycos selbstständig macht, während man auf dem Weg von der Matte zu den Power Grips ist.
Und wenn die Lycos doch einmal unkontrolliert startet, bevor man die Power Grips in der Hand hält? Gut, dass wir in weiser Voraussicht nur einen Power Grip über den Groundstake gehängt haben! Da nun beim versehentlichen Start nur eine Leine gespannt ist, wird sich der Schaden mit großer Wahrscheinlichkeit in Grenzen halten. Sind hingegen beide Leinen gespannt, fliegt die Matte zunächst in die Höhe, um dann nach rechts oder links auszubrechen und mit Schmackes auf dem Boden aufzuschlagen. Wieder gilt: Das braucht kein Mensch. Aber zum Glück gibt es ja eine einfache Gegenmaßnahme.
Der Flug
Da stehen wir also mit den Grips in den Händen und dem Wind im Rücken. Die Spannung steigt, gleich geht’s los! Letzte Hürde: ein kontrollierter Start. Hierzu werden beide Leinen langsam und gleichmäßig angezogen. Die auf der Schleppkante gesicherte Lycos richtet sich auf, sodass sich die Kammern mit Luft füllen und die Matte beginnt, ihr bogenförmiges Profil auszubilden. Noch ein definierter Startimpuls, und die Lycos gewinnt schnell an Höhe. Wer das Risiko minimieren will, von der schlagartigen Beschleunigung und Druckzunahme überrascht zu werden, sollte die Lycos zunächst zur Seite und dann in den Zenit steuern. Sie steht nun ohne Druck über uns und kann dort relativ mühelos in einer stabilen Position gehalten werden. Bevor wir unser Fluggerät durch die Power-Zone (den Bereich in der Mitte des Windfensters, in dem der höchste Druck anliegt) steuern, testen wir mit höheren Durchflügen, ob wir mit der Leinenwahl richtig liegen: Wird die Leine bereits im oberen Bereich des Windfensters voll durchgezogen? Dann lieber noch einmal landen und auf eine höhere Bruchlast wechseln. Hat die Leine hingegen einen gewissen Durchhang, sollte die Sicherheitsmarge ausreichen.
Und los geht die wilde Hatz! In einem weiten Bogen fliegen wir die Lycos Richtung Windfenstermitte. Mit viel Schwung kommt sie aus der Kurve, saugt sich auf der tiefen Geraden regelrecht an, beschleunigt noch einmal in der Power-Zone und materialisiert wieder am Rand des Windfensters. Wow! Diese nur 0,75 m² große Matte ist bei starkem Wind enorm druckvoll unterwegs, läßt sich aber dennoch erstaunlich effizient steuern. Denn die Lycos Competition kann nicht nur schnell: Messerscharfe Ecken, saubere Kreise oder Achtecke und radikale, trotzdem kontrolliert auszuleitende Spins gehören ebenfalls zum Repertoire dieses Kraftpakets. Solche Manöver mit Formel 1-Geschwindigkeit umzusetzen, ohne Abstriche bei der Präzision zu machen: Für diese Herausforderung steht die Lycos Competition.
Die Landung
Im Gegensatz zu bestabten Speedkites ist bei Matten die Landung schwieriger als der Start. Gerade bei starkem Wind wird man oft mehrere Versuche benötigen, bis die Matte gesichert ist. Und so funktioniert’s: Die Matte seitlich aus dem Windfenster fliegen und auf den Kammeröffnungen ablegen (was zugegeben ein wenig Übung verlangt), dann kurz an der äußeren Leine ziehen. Die Matte wird sich nun regelmäßig so eindrehen, dass sie nicht mehr selbstständig starten kann. Wieder nur einen Grip über den Groundstake legen und zur Matte gehen. Dabei von der Windfenstermitte her nähern und dicht neben der inneren Schnur laufen, damit man reagieren kann, sollte die Matte doch noch einmal durchstarten.
Der Abschluss
Landung geglückt, Session beendet? Dann erst einmal Ausatmen! Beim abschließenden Verpacken der Lycos sollte man unbedingt darauf achten , dass beide Anknüpftampen an der Waage entweder mit einem Buchtknoten verbunden oder mit dem Klettverschluss im Bereich der Schleppkante gesichert werden. Mit diesem einfachen Kniff kann man ein lästiges Verdrehen der Waage verhindern. Beim Falten der Matte ist daruf zu achten, den Profile Support – in die Kammeröffnungen eingearbeitete Nylonstäbe – nicht zu knicken, die Tasche ist hierfür allemal groß genug. Und beim Einpacken nicht vergessen, dass eventuell verwendete Gewichte noch am Startpunkt liegen!
Noch ein zufriedener Blick über das Flugfeld, dann gilt es, den Heimweg anzutreten. Aber keine Angst: Demnächst wird es bestimmt wieder windig. Vielleicht sogar sehr windig.
Und wenn nicht: Die Lycos Competition 1.8 PS fliegt auch schon bei 2 Bft…
Oliver Germing
Ulli H., 23.03.23 12:44
Nette Geschichte. Ich freue mich schon, wenn meine Lycos 2.0 PS ab dem 05. April in Borkum an den Start geht.....Ulli