Interview

2025-03-26 14:59:00 / Allgemein / Kommentare 0
Interview -

Diamonds in the Sky

Interview mit Victor Guerithault, Drachendesigner aus Rennes, Frankreich. 

Guerithault ist Inhaber der Drachenschmiede "Kitelab". Das Markenzeichen seiner Drachenbaukunst ist es, erweiterbare Drachen zu bauen. Der studierte Künstler und Designer hat ein Konstruktionsspiel entwickelt, mit dem Farbe und Form des Drachen skalierbar bleiben. Das Ziel dieser Flexibilität ist es, den Nutzer in die Gestaltung mit einzubeziehen und den Drachen - je nach Situation - an die sich verändernden Bedingungen anzupassen. Der Künstler pflegt eine tiefe, fast poetische Beziehung zu seiner Kunst. Victor Guerithault selbst dazu:

„Der Drachen, ein Objekt der Freiheit, ein Synonym für Sommer und Strand, existiert seit über zweitausend Jahren. Mit fast einer Milliarde Nutzern weltweit, fesselt und regt er den Nutzer durch eine poetische Geste zum Träumen an – eine magische Verbindung, die wir mit dem Himmel pflegen.“

Hat ein Drachen oder eine Person Ihre Leidenschaft für Drachen entfacht? 

Meine erste Begegnung mit einem Drachen hatte ich 2004 in China, auf dem Tian An Men-Platz in Peking (ich war damals gerade elf Jahre alt). Meine Familie und ich waren zu meinem Vater gezogen, der dort als Architekt arbeitete. Ich würde also sagen, dass mein Vater der erste Mensch war, der mir all das ermöglichte und mir die Leidenschaft fürs Bauen, Verstehen und Teilen vermittelte. Ihm verdanke ich es, dieses großartige Objekt zu entdecken. Wir kauften dort zwei traditionelle Drachen, die ich noch heute in meiner Werkstatt habe.

Dann kam die Wiederentdeckung des Drachens während meines Designstudiums an der Kunsthochschule Rennes, das ich 2018 abschloss. Eines Tages zeigte mir ein Lehrer, der heute ein sehr guter Freund ist, ein Foto eines der größten tetraedrischen Drachen von Alexander Graham Bell, und ich war sofort fasziniert. Mit meiner Leidenschaft für Architektur, Struktur und Konstruktionsspiele wusste ich, dass ich die Chance hatte, in diesem Bereich etwas zu bewegen.

Woher stammen Ihre Drachenbau-Fähigkeiten?

Während meines Studiums hatte ich das Glück, ein Praktikum bei Michel Gressier, einem bekannten Drachenkünstler, zu absolvieren. Das Kitelab war noch nicht gegründet, und ich hatte noch keinen Abschluss. Während dieses Praktikums habe ich mir einiges Wissen angeeignet und konnte dann mit Ausdauer, Leidenschaft und Mut weitermachen und die Harmonie zwischen dem Objekt Drachen und den neuen Werkzeugen finden, die uns zur Verfügung stehen.

Was fasziniert Sie an geometrischen Formen?

Ich habe Geometrie schon immer geliebt, seit ich denken kann, schon in der Grundschule. Ich glaube, mein Vater, er war Architekt, hat mich zu diesem Fachgebiet/dieser Leidenschaft geführt. Es ist witzig, aber ich bin immer sehr spießig, das heißt, wenn man in die Werkstatt kommt, ist alles perfekt. Kein Draht oder Seil liegt falsch, alles ist an seinem Platz, ordentlich. Ich denke, das ist eine sehr wichtige Eigenschaft, wenn man sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlen möchte. Was die geometrischen Formen meiner Drachen betrifft – das ist ein von mir erfundenes Konstruktionsspiel, das eine ganze Reihe geometrischer Formen ermöglicht. Ich mag es geradlinig, wohlgeordnet und wohlkalkuliert. Das ist beruhigend.

Ihre Drachen wirken wie Himmelsschmuck – was denken Sie selbst darüber und haben Sie eine Botschaft?

Vielen Dank für die lieben Worte. Ich versuche, in diesem Umfeld einzigartig zu sein, meine eigene Persönlichkeit, meine eigenen Objekte, meine Eigenschaften, mein Wissen einfließen zu lassen, und ich hoffe, das alles eines Tages weitergeben zu können. Wenn der Drachen heute noch existiert, dann deshalb, weil er ein einzigartiges Objekt ist. Ich hoffe, ich kann Teil dieser Familie von Menschen sein, die die Kunst anderer teilen und mit ihnen koexistieren. Ich hoffe, ich habe die richtige Stimme dafür gefunden.

Ich liebe es, meine Drachen zu bauen, den Moment zu nutzen und sie fliegen, atmen und träumen zu lassen. Ich möchte diese enge Verbindung mit dem Wind und dem Himmel weiterhin pflegen und diese Leidenschaft weiterverfolgen.

Was war Ihr größter künstlerischer Erfolg?

Ich habe 2018 meinen Abschluss gemacht. Und dann kam die Covid-Pandemie - beruflich die totale Wüste. 2021 war ein Jahr der Erneuerung – für uns alle, aber noch mehr für die künstlerischen Berufe, die mit der Öffentlichkeit interagieren. 2022 war „die Weihe“, denn ein französisches Luxusunternehmen kontaktierte mich, um ein Festival zu veranstalten, das ihren Kreationen und dem Stoff, der auf meinen Drachen verwendet wird, gewidmet war. Seitdem werde ich weiterhin von Luxusmarken gebeten, Drachen für ihre Events zu entwerfen. Das Wichtigste für mich ist, meine Kreationen und meine Leidenschaft weiterhin zu teilen, sei es mit Marken, Verbänden, Festivals oder sogar Kunden.

Mein größter persönlicher Erfolg ist es, meine Eltern und meine Familie stets stolz zu machen. Ich erfinde auch weiterhin neue Materialien, wie zum Beispiel Mylar-Drachen, die am Himmel so wirkungsvoll und einzigartig sind.

Wer ist Ihr Lieblingskünstler?

Ich habe keinen wirklichen Lieblingskünstler. Ich folge und mag, was mir gefällt und was mich inspiriert. Wie der große italienische Designer Achille Castiglioni sagte: „Wenn du nicht neugierig bist, vergiss es. Wenn du dich nicht für die Arbeit anderer interessierst, was sie tun und wie sie es erreichen, dann hast du nicht die Seele eines Designers.“

Haben Sie einen Lieblingsdrachenbauer? 

In der Drachenwelt würde ich Alain Micquiaux nennen. Ich nehme seit drei Jahren am A Tout Vent Festival in Notre Dame de Mont teil, dieses Jahr wieder. Alain ist ein wahrer Drachenkünstler. Ich liebe seine Schlichtheit, seine Leichtigkeit, aber auch die Komplexität seiner Kreationen. Ich liebe die Leere und Fülle, die diese Kreationen ausmachen, und ich respektiere ihn sehr. Er hört immer zu und ist offen für neue Projekte.

Ein Lieblingsdrachen? Tetraeder, ich denke, das ist nicht überraschend (lacht). Ich liebe die Form, die Flugeigenschaften. Je nach Wind wird er größer. Ich liebe es, 5, 10 oder 15 gleiche Drachen gleichzeitig in die Luft steigen zu lassen, wie eine Familie.

Was war Ihr unvergesslichstes Drachenerlebnis? 

Ich glaube, es war ein Tag in Dubai, an dem 70 oder mehr Tetraeder-Drachen in der Luft waren. Ich glaube, das war das einzige Mal, dass ich so viele meiner Drachen gleichzeitig am Himmel gesehen habe.

Was ist Ihrer Meinung nach das beeindruckendste Event in der Drachenwelt, das Fans einmal im Leben besuchen sollten? 

Leider bin ich kein Fan von Drachenfestivals, ich werde oft zu Drachenproduktionen oder -vorführungen mitgenommen. Aber ich würde gerne nach Cervia (Italien) fahren oder zum Bondi Beach Festival in Sydney (ich war 2020 eingeladen, aber wegen Covid war es nicht möglich).

Weitere Informationen/Anmeldung zu Workshops: https://www.kitelab.fr/


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