Drehende Objekte sind am Drachenhimmel nicht unbekannt. Zumeist als Leineschmuck in einen Zugdrachen gehängt, erfreut sie das Auge des Betrachters mit seiner Bewegung und seiner Formen- und Farbvielfalt.
Hier und heute soll es aber um Drachen gehen, die sich drehen und deswegen (oder trotzdem?) selbstständig fliegen. Ich habe mir die Zeit genommen, um mir drei ganz unterschiedlicher Modelle genauer anzuschauen und natürlich um sie ausführlich zu fliegen.
Aber – warum fliegen sie überhaupt? Das ist schon verwunderlich, aber wie immer gibt es eine wissenschaftliche Erklärung: Mindestens zwei der drei getesteten Drachen fliegen nach dem Prinzip, das eine Bananenflanke eine krasse – naja- Bananenkurve fliegen lässt, oder den Gegner mit einem sauber angeschnittenen Topspin beim Tischtennis ratlos zurücklässt – dem Magnus-Effekt. Mit ihm lassen sich noch andere tolle Sachen machen, vom windgetriebenen Dachmotor für Transporter, über windrichtungsunabhängige Windkraftanlagen bis hin zu modernen Segelantrieb für Schiffe. https://www.norsepower.com
Doch bevor es hier zu technisch wird, verweise ich lieber auf die entsprechenden Wikipediabeiträge:
https://de.wikipedia.org/wiki/Magnus-Effekt
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Flettner
https://de.wikipedia.org/wiki/Savonius-Rotor
Die Testmodelle:
Turboprop von Günther Flugspiele
Flip von Prism Designs
Roto von HQ-Kites
Ich habe mit jeweils die Konstruktion, den Aufbau und das Flugverhalten angeschaut.
Beim Turboprop handelt es sich um einen flugzeugförmigen Drachen mit rotierenden Flügeln. Er wird von Günther Flugspiele seit über 50 Jahren nahezu unverändert gebaut und vertrieben. Im Laufe des Produktlebens hat der Turboprop noch einen Propeller in die Nase bekommen – das wars auch schon an Facelifts. Seit diesem Jahr wird er wieder komplett in Deutschland produziert. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass der Turboprop einer der meistverkauften Drachen der Nachkriegsgeschichte ist. Dieser kleine Flieger hat schon viele Generationen von Kindern in seinen Bann gezogen.
Er ist aus buntem, sehr leichtem, tiefgezogenem Kunststoff und ein wenig gebogenen Draht gebaut. Die in einem flachen Karton verpackten Teile sind schnell zusammengesteckt- dabei auf die richtige Zuordnung der Flügel achten. Nur noch die Flugleine anknoten, und dann ab in den Wind. Der Turboprop braucht immer einen kleinen Moment, bis er sich die Flügel schnell genug drehen und er sich in die Luft erhebt. Danach ist er der ideale Begleiter für den gelungenen Strandtag: Er entwickelt kaum Zugkraft, kann also auch von kleineren Kindern geflogen werden. Er steht auch bei etwas mehr Wind seht stabil und macht mit einem sonoren Knattern immer auf sich aufmerksam. Sein Leinewinkel ist eher flach. In der neuesten Generation ist nun endlich auch die Leine am unteren Ende der Haspel angebunden – eine kleine Sensation! Wie ich aus eigener (mehrfacher) Erfahrung berichten kann, gibt es nur wenig das so schmerzt, wie ein in den Horizont entfliegender Turboprop.
Der Turboprop ist der kleinste und preisgünstigste Drachen dieses Testes. Gut für die Urlaubskasse, aber leider sind die tiefgezogenen Kunststoffteile ziemlich empfindlich und nur selten hat ein Turboprop den Sommer überlebt. Zu reparieren ist er fast nicht.
Pro:
kleiner Preis
gute Flugeigenschaften
kinderfreundlich
Contra:
kurze Lebensdauer
flacher Leinenwinkel
Bei Flip von Prism sieht das schon anders aus. Die Konstruktion ist aus festem Polyestergewebe und Fiberglas. Sie wird von kleinen aber stabilen Kunststoffverbindern zusammengehalten. Der Flip kommt nahezu unverpackt – eine Banderole aus Pappe dient der Präsentation im Geschäft, eine Tasche für die spätere Aufbewahrung gibt es nicht. Das ist schade, denn der Flip bring genug Substanz für ein längeres Leben mit.
Vom einem Aufbau kann kaum die Rede sein. Nur den Ring so verdrehen, dass sie im rechten Winkel zur elliptischen Scheibe stehen, Flugschnur an die Waage knoten und – auf den richtigen Wind warten. Denn eine ordentliche Brise braucht er schon, bis er schnell genug rotiert, um sich in die Lüfte zu erheben. Dann steht er stabil, mit etwas steilerem Leinenwinkel als der Turboprop, im Himmel. Anders als der Turboprop ist der „Flügel“ des Flips nicht profiliert. Das führt dazu, dass der Flug immer etwas unruhig ist, was sich durch ein beständiges Zucken in der Flugleine bemerkbar macht. Muß man mit leben…Der Flip ist, wie man es von Prism kennt, ordentlich verarbeitet. Durch seine besondere Form hat er den höchsten Coolnessfaktor der drei Kandidaten.
Pro:
gute Verarbeitung
gute Flugeinschaften
Contra:
Zucken in der Leine
Braucht viel Wind
Der Roto von HQ ist der einzige Drachen im Test, der nicht durch den Magnus-Effekt fliegt. Es handelt sich im einen klassischen, Kastendrachen mit sechs Kanten, an welchen sich kleine, dreieckige Flügel befinden, die leicht angestellt sind und den Drachen in eine Drehung um die Längsachse versetzen, sobald er in die Luft geht.
Der Roto ist, wie schon der Flip, handwerklich sehr ordentlich mit Polyestertuch und Fiberglasstäben gebaut. Mit Hilfe kleiner Kunststoffverbinder werden die Flügelchen mit dem zentralen Längsstab verbunden. Die Drehung läuft beim Roto durch einen kleinen, kugelgelagerten Wirbel in der Längsachse wie geschmiert -sehr lobenswert! Verpackt ist er in einer einfachen, praktischen Tasche.
Start und Flug des Roto ist ein Kinderspiel. Einfach aus der Hand starten und Leine geben. Sofern der Wind ausreicht, dreht der Drachen sofort und nimmt den von allen drei Drachen steilsten Leinenwinkel ein. Die Drehung ist vergleichsweise gemächlich und gut nachvollziehbar. Der gleichmäßige Zug ist leicht.
Pro:
gute Verarbeitung
sehr gute Flugeinschaften
Einfach zu starten
Contra:
mühsamer Aufbau>
verhältnismäßig teuer
Und – welcher der drei Testkandidaten fliegt am besten? Eindeutig der Roto. Der größte und teuerste Drachen im Feld kann in jeder Hinsicht überzeugen. Aber auch der Turboprop und der Flip haben ihre speziellen Reize. Nostalgiepotential, Kinderfreundlichkeit, einfacher Zusammenbau und Collnessfaktor sind natürlich nicht zu unterschätzen. Und wenn der Preis stimmt, ist das natürlich umso besser.
Christoph Fokken